20.9.2024

NACHGEFRAGT


Nachhaltigkeit

Ausschluss für Rüstung soll fallen

Interview mit Dr. Magdalena Kuper, Leiterin Nachhaltigkeit beim deutschen Fondsverband BVI

Seit Jahren sind Investitionen in die Rüstungsindustrie für Fonds mit Nachhaltigkeitsmerkmalen auf dem deutschen Markt nahezu ausgeschlossen. Das wird sich ändern. Was dahinter steckt, und was das für die Fondsindustrie und die Anleger bedeutet, erfahren Sie im Interview.

Frau Dr. Kuper, vor knapp drei Jahren hat der BVI gemeinsam mit den Verbänden der Kreditwirtschaft und dem Zertifikateverband im sogenannten ESG-Zielmarktkonzept vereinbart, dass als nachhaltig vertriebene Fonds nicht in Unternehmen investieren dürfen, bei denen mehr als zehn Prozent des Umsatzes auf Rüstungsgüter entfallen. Jetzt haben die beteiligten Verbände das Konzept überabeitet. Warum diese Änderung?

Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine gibt es eine breite gesellschaftliche Debatte über einen Ausbau der Rüstungsindustrie zur Verteidigung unserer demokratischen Grundordnung. Mit dem Ausschluss der Rüstungsfinanzierung im ESG-Zielmarktkonzept haben wir diese Debatte bislang unterbunden und wollen sie nun auch den Fondsmanagern und den Anlegern ermöglichen. Hinzu kommt, dass es bei der Erstellung des Verbändekonzepts noch keine europäischen Vorgaben zu Rüstung in Fonds mit Nachhaltigkeitsmerkmalen gab. Inzwischen gibt es aber solche Vorgaben auf EU-Ebene, und wir möchten diesen Mindeststandard für den deutschen Markt übernehmen.

Wie sehen die EU-Vorgaben aus und seit wann gibt es sie?

Die EU-Behörde ESMA hat im Mai 2024 Leitlinien für nachhaltigkeitsbezogene Zusätze in Fondsnamen veröffentlicht, die erstmalig EU-weite Mindeststandards definieren. Demnach sind lediglich völkerrechtlich geächtete Waffen, wie zum Beispiel Streubomben, chemische und biologische Waffen, in als nachhaltig bezeichneten Fonds verboten. Auch aus den Klarstellungen der EU-Kommission ergeben sich neue Erkenntnisse, zum Beispiel zur Vereinbarkeit der EU-Taxonomie mit Investitionen in Rüstungsunternehmen. Die EU-Kommission stellt insbesondere klar, dass der EU-Rahmen zur Nachhaltigkeit keine Investitionen in Rüstungsfirmen unterbinden soll. Diesen Klarstellungen müssen wir im Mindeststandard des ESG-Zielmarktkonzepts Rechnung tragen.  

Werden die Fondsgesellschaften die neue Regelung umsetzen?

Inwieweit Fonds mit Nachhaltigkeitsmerkmalen in Rüstungsunternehmen investieren werden, bleibt den Fondsgesellschaften überlassen. Sie werden in den Gesprächen mit den Vertriebsstellen und den Anlegern herausfinden, wie sie ihre Nachhaltigkeitsstrategien verantwortungsvoll weiterentwickeln können. Dies wird aber ein sensibler Prozess sein. Einige Fondsanbieter haben sich bereits positioniert und wollen auch in Zukunft keine Rüstungsinvestitionen in Fonds zulassen, die sie als nachhaltig vertreiben. Andere werden ihre Strategien überprüfen.

Was heißt das für Anleger?

Anleger sollten sich immer genau informieren, ob ein Fonds ihren persönlichen Präferenzen zur Nachhaltigkeit entspricht. Dies gilt sowohl für Umwelt- und Sozialziele als auch für die Frage, in welche Branchen oder Aktivitäten nicht investiert werden soll.

Sind die anderen Mindestausschlüsse zum Beispiel für Tabak und Kohle im Verbändekonzept weiterhin enthalten, oder werden sie auch an die EU-Regelungen angepasst?

Nein, sie bleiben bestehen. Die Ausschlüsse im Verbändekonzept für Tabak, geächtete Waffen und Verstöße gegen soziale Normen und Menschenrechte decken sich mit den Ausschlüssen der Climate-Transition-Benchmarks, die künftig der EU-Mindeststandard nach den ESMA-Leitlinien für Fonds mit nachhaltigen Namenszusätzen sind. Und auch der Ausschluss für Kohle bleibt im Verbändekonzept bestehen, da er aktuell der Präferenz der meisten an Nachhaltigkeit interessierten Anleger entspricht.

Für die Anpassung an den EU-Mindeststandard muss das ESG-Zielmarktkonzept geändert werden. Wie sieht der Zeitplan aus?

Die beteiligten Verbände haben sich auf ein überarbeitetes Konzept verständigt, in dem neben dem Thema Mindestausschlüsse auch weitere regulatorische Änderungen abgebildet werden. Zu dem überarbeiteten Konzept stehen die Verbände aktuell im Austausch mit der zuständigen Aufsichtsbehörde BaFin. Wann dieser Austausch abgeschlossen sein wird, ist noch unklar.

Die Fragen stellte Christiane Lang, Internetredaktion.

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